Kinotechnik als Hobby
Der Große Coup des Major Manewitsch  .
Wie die Deutschen Filme nach Russland kamen


Ende 1990 erschien in der sowjetischen Filmzeitschrift „Sowjetkskij ekran“ ein Bericht über eine Mission, die nach dem Ende des II.Weltkrieges einen gewissen Jossif Manewitsch von Moskau nach Berlin führte. Der Auftrag hatte Auswirkungen die noch heute andauern.

Es war 1945 :Jossif Manewitsch wurde zum sowjetischen Filmminister Borschakow befohlen und mit Marschbefehl und Vollmachten ausgestattet. Damit das Ganze mehr Gewicht hatte, wurde er zum Major erhoben und erhielt eine entsprechende Uniform. Das Käppi war zu klein, die Stiefel zu groß. Ein passendes Käppi besorgte die Nachbarin, passende Stiefel konnte er als Mitarbeiter des Filmministeriums eigentlich nur bei der Mosfilm bekommen. Der Produktionsleiter schickte Manewitsch in eine Garderobe in der unzählige paar Stiefel rumstanden. Ausgerechnet die Stiefel des Hauptdarstellers von „Der Schwur“ passten am besten. Nach einigen Hin und Her wurden die Stiefel gegen Unterschrift rausgerückt. Am 11.Mai 1945 kam dann der Dienstreiseauftrag : „In Berlin einige Deutsche Farbfilme zu besorgen".

Schon einige Tage später war Major Jossif Manewitsch in Berlin Potsdam vor den Bunkern des Reichsfilmarchivs. Das Reichsfilmarchiv war bereits von sowjetischen Truppen besetzt und Gebäude sowie Filmbestände beschlagnahmt worden. Ein schriftlicher Befehl des damaligen sowjetischen Stadtkommandanten Bersarin ernannte Manewitsch zum Alleinherrscher über 17352 Filme die dort lagerten. Nach eingehender Sichtung der Bestände ließ Manewitsch nicht nur „einige deutsche Farbfilme“ entnehmen sondern etwa 6400 ausgesuchte Filme in Kisten verpacken. Etwa einen Monat brauchten 50 Mitarbeiter, hauptsächlich Frauen, um die Filmladung versandfertig zu machen. Major Manewitsch kehrte hochzufrieden nach Moskau zurück. Seine Stiefel hat er wieder in der Kostümabteilung der Mosfilm abgegeben. Auch die Kisten mit den Filmen trafen wohlbehalten im damals sowjetischen, heute russischen Filmarchiv in Krasnogorsk bei Moskau ein.

Im Gegensatz zu Bibliotheksbeständen die man 1945 ungesichtet in feuchte Keller und Kirchen warf, wurden die Filme sehr sorgfältig behandelt. Im August 1948 beschloß das Politbüro der Kommunistischen Partei, fünfzig Filme aus dem Beutefonds zum Einsatz zu bringen. Die Filme waren in zwei Kategorien eingeteilt. Für das breite Publikum wählte man Unterhaltungsfilme wie „Die Frau meiner Träume“ mit Marika Rökk und „Ohm Krüger“ , dessen antibritischer Aktzent der damaligen gegen den Westen gerichteten Politik zupaß kam. Für interne Funktionärsvorführungen wählte man vielfach amerikanische Filme aus, die auch mehr unrecht als rechtmäßig in den ehemals deutschen Besitz gelangt waren. ( Das Reichsfilmarchiv hatte während der nationalsozialistischen Zeit mehrere Millionen Reichsmark für den Erwerb von amerikanischen und englischen Filmkopien ausgegeben ohne sich um den Rechterewerb zu kümmern; Anmerk.d. Artikelschreibers) . Selbst Veit Harlans Film „Jud Süss“ wurde wieder gezeigt und die UFA konnte späte Triumphe feiern, ohne allerdings jemals einen Rubel der millionenschweren Kinoeinnahmen gesehen zu haben. Die letzten erbeuteten deutschen Spielfilme liefen noch 1956 in sowjetischen Kinos.

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Schon 1955 wurde ein Teil der sowjetischen Beutebestände an das damals gegründete Staatliche Filmarchiv der DDR zurückgegeben. In der DDR behauptete man allerdings noch 1976 : ALLE Filmbestände seien zurückgegeben worden. 1990 aber im Zeichen der Perestroika und der Deutschen Wiedervereinigung kam an das Bundesfilmarchiv ein Angebot aus Russland :Die restlichen noch 4500 Filme für einen Millionenbetrag zurückzukaufen. Während nach England oder Amerika verbrachte Filmbestände entweder bereits zurückgegeben wurden oder im Rahmen eines internationalen Abkommens der Archive jederzeit verfügbar sind, denkt man in Russland nicht an die Rückgabe der Filmbestände. Im Rahmen von weitergeführten Arbeitsgesprächen mit Gosfilmofond, dem Staatlichen Russischen Filmarchiv stellt die Rückführung der Filmbestände auch heute noch kein Thema dar.

Man demonstriert immer noch den Besitzanspruch auf das geraubte Kunstgut. Aber der Brücke die Russland zum Westen sucht steht ein solches Denken natürlich im Wege. Inzwischen haben aber die meisten der nach Russland verbrachten Filmtitel auf anderen Wegen zurück in deutsche Archive gefunden. Nur ein kleiner Teil ist nicht verfügbar. Trotzdem hätte man die Bestände gerne zurück. Zum Einen wegen der Rechte, die bei Deutschland geblieben sind und wegen der Herstellung der Urfassung der Filme, die während des Verleihs allzuoft Veränderungen erfuhren.

Quelle FAZ und HK Privatarchiv, Jan.2001

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